Die heute sichtbaren Unterschiede im Mauerwerk zwischen dem ersten und dem zweiten Obergeschoß des Unteren Tores zeigen recht deutlich, was 1468 vom Unteren Tor stehen blieb: auf der Stadtseite vom Boden bis etwa unterhalb des österreichischen Wappens, auf der Westseite vom Boden bis etwa zu den beiden dort eingemauerten Steinkugeln aus dem Waldshuter Krieg. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Einmauerung dieser Steinkugeln ganz bewusst geschah, um als Markierung für spätere Zeiten festzuhalten, bis wohin das Untere Tor im Waldshuter Krieg eingestürzt war. Die Vorgänge um den Waldshuter Krieg von 1468, in dem sich die damals schon bestehende Junggesellenschaft 1468 Waldshut, die älteste Zunft Deutschlands, auszeichnete, gehört zu den bekanntesten Abschnitten unserer Stadtgeschichte, ebenso wie das Gelübde von Bürgerschaft und Rat ". . . dass sy und Ire nachkommen nun hiefüro alweges zuo einer ewigen gedechtnus den nechsten Sambstag vor St Veren Tag . . . ein ewig Jarzeit halten lassen wollen", was. der eigentliche Sinngehalt der Chilbi ist.
Einen Anhaltspunkt dafür, wie das Untere Tor vor seiner Teilzerstörung 1468 ausgesehen haben könnte, geben verschiedene alte Ansichten Waldshuts, die anlässlich des Waldshuter Krieges entstanden und sich naturgemäß mehr auf das militärische Geschehen als auf die Wiedergabe des Stadtbildes konzentrieren. Es sind vor allem die Bilder-Chroniken, welche u. a. die Ereignisse des Waldshuter Krieges darstellen und dabei auch das Antlitz unserer Stadt zeichnen. - Die Chronik von Tschachtlan zeigt die von den Eidgenossen belagerte Stadt in einer Art Panoramahaften Abwicklung vom Schweizer Rheinufer aus gesehen, in welcher Rheintor und Oberes Tor deutlich zu erkennen, Unteres Tor und Waldtor jedoch nicht klar zu scheiden sind, wobei ein in Eckposition befindlicher Rundturm niemals das Untere Tor sein kann, jedoch etwa anstelle des Waldtores sich ein ziemlich hoher Turm von quadratischem Querschnitt mit Zinnenkranz und Pyramidendach erhebt, auf den in auffälliger Weise die Berner Geschütze gerichtet sind, von denen wir wissen, dass sie vor dem Unteren Tor postiert waren. Es spricht also manches dafür, diesen Turm als eine Wiedergabe des Unteren Tores anzusehen, das Bemerkenswerterweise hier schon schwere Einschüsse zeigt! - In einer Nürnberger Bilderchronik erscheint in überaus mächtiger Darstellung das Obere Tor mit der Zugbrückenanlage über den Seltenbach, auf der Südflanke ein runder Turm in Eckposition, auf dessen Kegeldach sich stadtseitig ein erkerartiges Zwerchhaus befindet und schließlich ein Turm von quadratischem Querschnitt, dessen obere Hälfte abgebrochen ist! Hierbei kann es sich wohl nur um das im Waldshuter Krieg "zerschossene" Untere Tor handeln, auch wenn die Abwicklung des Stadtbildes dieses Tor hier eher im Norden als im Westen anordnet.