Im Folgenden soll versucht werden, sich kurz über die Baugeschichte
des Unteren Tores, eines der ältesten Gebäude Waldshuts, Rechenschaft
zu geben, die aus der Stadtgeschichte bekannten Daten mit den eben jetzt -
anlässlich seiner Innenrestaurierung durch die Junggesellenschaft 1468
Waldshut - zu beobachtenden baugeschichtlichen Befunde zu vergleichen.
Aufgrund der topographischen Situation und der Stadtbaugeschichte kann kein
Zweifel darüber bestehen, dass das Untiere Tor in seiner Grundanlage
mindestens in die Zeit der Stadtgründung (d. h. nach der älteren
Auffassung über die frühe Geschichte unserer Stadt in die Mitte
des 13. Jahrhunderts) zurückgeht. Das Untere Tor wäre somit - ebenso
wie das Obere Tor - Bestandteil der aus wesentlich militärischen Gesichtspunkten
als einheitliche und regelmäßige Gründung geschaffenen Stadtanlage.
Mit dieser - an sich selbstverständlichen - Annahme lässt sich jedoch
eine der merkwürdigsten und auffallendsten Eigenschaften des Unteren
Tores nicht erklären: seine im Verhältnis zur Achse der Kaiserstraße
abgewinkelt schiefe Stellung. Hierfür sind u. a, zwei Erklärungen
denkbar: entweder nimmt das Tor in seiner schrägen Stellung Rücksicht
auf topographische Gegebenheiten (schräger Verlauf des westlichen Stadtgrabens
und daher schräger Westabschluss der Dreistraßenanlage) oder das
Tor ist älter als die Stadtgründung und auf einen älteren Mittelpunkt,
etwa die Stelle des heutigen Greiffeneggschlößchens, orientiert.
Die Betrachtung älterer Stadtpläne mit dem dort eingezeichneten
stark schrägen Verlauf von westlichem Stadtgraben, Stadtmauer und Bebauung
in diesem Bereich legen die erstere, einfachere Erklärung nahe.
Die Grundanlage des Tores geht, wie gesagt, in die Zeit der Stadtgründung
zurück, doch hatte das Tor sicherlich damals noch nicht seine heutige
Höhe, ebenso wie die damals das Tor umgebenden Häuser wesentlich
niedriger (und wohl außerdem aus Holz) waren. Das Tor ist, mit anderen
Worten, in seiner Geschichte mehrfach umgebaut, wiederhergestellt und erhöht
worden.
Schon bald nach ihrer Gründung nahm die neue Stadt einen bedeutenden,
namentlich auch politischen und militärischen Aufschwung, was sich u.
a. darin zeigt, dass Waldshut 1333 mit zahlreichen bedeutenden Städten,
darunter Basel, Schaffhausen, Zürich und Bern einen Landfriedenschloss.
Ein solcher Vertrag mit den genannten wichtigen Städten wäre sicherlich
nicht möglich gewesen, ohne dass Waldshut eine entsprechend leistungsfähige
Verteidigungsanlage besessen hätte, in der (auch nach der schon bald
nach der Stadtgründung erfolgten Erweiterung des Stadtgebiets um das
zwischen der inneren und der äußeren Ringmauer gelegene nördliche
Vorgelände) das Untere Tor eine entscheidende Rolle spielte. Das für
die Stadtgeschichte glückliche 14. Jahrhundert brachte nicht nur Wohlstand,
sondern auch den Beginn der Ersetzung hölzerner Bürgerhäuser
durch steinerne sowie jene bemerkenswert strenge Bauordnung, wonach ein durch
Verwahrlosung baufällig gewordenes Haus der Stadt anheimfiel.